Violinsonaten

Serie II / Werkgruppe 2 / Band 3: 1. Sonate für Pianoforte und Violine op. 105  – 2. Sonate für Violine und Pianoforte op. 121 – „F.A.E.“-Sonate – 3. Violinsonate WoO 2, herausgegeben von Ute Bär, Mainz 2001

Der erste in der Serie Kammermusik erschienene Band II/2,3 der Neuen Schumann-Gesamtausgabe enthält die drei Violinsonaten sowie die von Robert Schumann mit den beiden jungen Komponisten und Freunden der Familie, Albert Dietrich und Johannes Brahms, gemeinschaftlich komponierte F.A.E.-Sonate. Alle Werke sind in Düsseldorf entstanden. Im Herbst 1851, am Ende seines ersten Düsseldorfer Jahres, wandte sich Robert Schumann erneut der Kammermusik zu. Zwischen dem 12. September und dem 2. November komponierte er – lediglich unterbrochen durch das Klaviertrio op. 110 g-Moll – die Violinsonaten op. 105, a-Moll und op. 121, d-Moll. Angeregt wurde Schumann zur Komposition dieser beiden Werke möglicherweise durch einen Brief des Widmungsträgers der 2. Violinsonate op. 121, des Gewandhaus-Konzertmeisters und Freundes Ferdinand David. Bereits im Januar 1850 bat er Schumann um Werke für Violine und Klavier. Es fehlt so sehr an was Gescheidtem Neuen, schrieb er, und ich wüßte Niemand der es besser könnte als Du. Wie schön wäre es wenn Du jetzt noch etwas derartiges machtest was ich Dir dann mit Deiner Frau vorspielen könnte. Dieser Bitte kam Schumann nicht sofort nach, denn erst im Herbst des folgenden Jahres entstanden die genannten Violinsonaten. Mit den selbstironischen Worten, die erste Violinsonate hat mir nicht gefallen; da habe ich denn noch eine zweite gemacht, die hoffentlich besser geraten ist, soll sich Schumann selbst zur Entstehung der 2. Violinsonate geäußert haben. Bereits der Titel des Werkes, Zweite grosse Sonate für Violine und Pianoforte, weist durch das Attribut grosse darauf hin, daß zwischen beiden Kompositionen graduelle Unterschiede bestehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Schumann – im Unterschied zur konventionellen Titelbezeichnung “Sonate für Pianoforte und Violine”, die er selbst noch für op. 105 verwandte und die Johannes Brahms und andere Komponisten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gebrauchten – sein op. 121 als Sonate für Violine und Pianoforte bezeichnete. Ob hiermit das Primat des Soloinstrumentes gegenüber dem Pianoforte hervorgehoben und eine neuartige Stellung der beiden Instrumente zueinander betont werden sollte, oder ob vielmehr zwischen der Hervorhebung der Violine im Titel und dem späteren Widmungsträger des Werkes ein Zusammenhang besteht, läßt sich nicht eindeutig klären. Von den Zeitgenossen wurde das Werk zweifellos als neuartig empfunden.
Zwei Jahre später, im Oktober/November 1853 entstanden die F.A.E.-Sonate und aus ihr heraus die 3. Violinsonate. Die Gemeinschaftskomposition von Schumann, Dietrich und Brahms war als eine Überraschung für den jungen Geiger und Freund Joseph Joachim gedacht, der beim ersten Spiel die Komponisten der einzelnen Sätze erraten sollte. Die Sätze beziehen sich jeweils auf die Motivtöne f-a-e, welche für die Initialbuchstaben von Joachims Wahlspruch (Frei aber einsam) stehen sollen. Die von Schumann selbst als FAE Sonatenüberraschung bezeichnete erste Aufführung des Werkes fand am 28. Oktober 1853, dem Vorabend der ersten öffentlichen Aufführung der 2. Violinsonate op. 121, im Schumannschen Haus in Düsseldorf (Bilkerstraße) statt. Bereits am 29. Oktober, einen Tag nach der Sonatenüberraschung, begann Schumann mit der Komposition zweier neuer Sätze, die gemeinsam mit seinem Intermezzo (II. Satz) und seinem Finale (IV. Satz) aus der F.A.E.-Sonate eine eigenständige, dritte Violinsonate bilden sollten.
Die nunmehr vorliegende historisch-kritische Ausgabe aller Violinsonaten Schumanns bietet nicht nur neue Werktexte, sondern dokumentiert zugleich die Werkentstehung und die Rezeptionsgeschichte.