Liederband 2

Aus dem Vorwort:
Der Band vereint vier Opera mit Liedern aus dem sogenannten Liederjahr 1840, in dem sich Robert Schumann intensiv der Vokalmusik in kleiner Besetzung widmete und einige seiner bekanntesten Liederzyklen und -sammlungen schuf oder die Grundlage dafür legte. Zeugnis davon legen insbesondere die drei in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrten Bände (RSW Anhang R12–14 = Liederbuch I–III) ab, in denen sich Arbeitsmanuskripte von 130 Gedichtvertonungen aus der Zeit von Februar bis Ende 1840 sowie 16 weitere aus den Jahren 1841 bis 1847 finden. Darunter sind sowohl einzelne Lieder, die Schumann in den folgenden Jahren in kleineren und größeren Sammlungen zusammengefaßt veröffentlichte, als auch von Opera, die von vornherein in Gruppen entstanden, meist mit Liedern nach Gedichten je eines Dichters. Zu letzteren gehören die folgenden, in diesem Band vorgelegten Werke: 12 Gedichte von Justinus Kerner op. 35, im Untertitel als Liederreihe bezeichnet, Sechs Gedichte aus dem Liederbuch eines Malers von [Robert] Reinick op. 36 (an je zwei Tagen im Juli und August 1840 entstanden), Liederkreis von Joseph Freiherrn von Eichendorff op. 39 (mit einem nachkomponierten neuen Eingangslied) sowie die Fünf Lieder op. 40 nach Gedichten Adelbert von Chamissos, die dieser nach Vorlagen von Hans Christian Andersen und einer aus einer Sammlung neugriechischer Texte nach- und neudichtend ins Deutsche übersetzt hatte.
 

Fünf Lieder op. 40

(Titelseite der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns, D-Zsch; Archiv-Nr.: 4501,6–D1/A4)

 
Die uns bekannten Kompositionsdaten aus Schumanns Tage- und Haushaltbüchern sowie den Lied-Manuskripten sind offenbar teilweise auf – heute in der Regel verschollene – Skizzen zu beziehen, teilweise auf die Ausarbeitung im Arbeitsmanuskript (vgl. RSA VI/6/2, S. 359). Bis zur Veröffentlichung erfuhren sowohl die Lieder selbst als auch ihre Auswahl und Reihenfolge innerhalb eines Opus – so bei den Kerner-Liedern op. 35 – bisweilen mehrfache Revision, die sich nicht immer lückenlos nachvollziehen lassen, da nicht alle Zwischenabschriften, Stichvorlagen und Korrekturfahnen überliefert sind.

Von den im Band vorgelegten Liedern sind die des Liederkreises op. 39 als erste entstanden – vom 1. bis 20. Mai 1840, am 22. Juni komponierte Schumann Der frohe Wandersmann als Ersatz für das ihn bis dahin offenbar nicht befriedigende Eingangslied In der Fremde nach. Die Fünf Lieder für op. 40 vertonte er vom 16. bis 18. Juli, direkt danach, am 22. und 23. Juli, vier der Lieder von Robert Reinick für op. 36, die anderen zwei einen Monat später, am 22. und 23. August. Von Mitte November bis Ende Dezember konzentrierte er sich auf Lieder mit Texten von Justinus Kerner, von denen wenig später zwölf als op. 35 erschienen.

Die Reinick-Lieder für op. 36 legte Schumann zunächst beiseite und kam erst ein halbes Jahr nach ihrer vorläufigen Fertigstellung anläßlich einer Anfrage des Verlegers Julius Schuberth auf sie zurück. Die drei anderen Zyklen bzw. Sammlungen bot er jeweils ohne Verzögerung Verlagen zum Druck an. Die Drucklegung verlief jedoch sehr unterschiedlich und benötigte im günstigsten Fall (Kerner-Lieder op. 35) nicht einmal ein halbes Jahr, im längsten (Liederkreis op. 39) zog sie sich im Verlag Carl Haslinger aus nicht im einzelnen nachvollziehbaren Gründen mehr als zwei Jahre hin.
 

Sechs Gedichte aus dem Liederbuch eines Malers von Reinick op. 36

(Titelseite der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns,D-Zsch; Archiv-Nr.: 4501,6–D1/A4)

 
Die Kerner-Lieder op. 35, die als letzte der hier vorgelegten Lieder entstanden waren, erschienen bereits im Mai 1841 als erste im Druck – gerade einmal fünf Monate nach Schumanns Angebot an den Verlag C. A. Klemm. Im Juli 1842, erst gut ein Jahr nach Verlagsübernahme, wurden die Reinick-Lieder op. 36 von Schuberth angezeigt. Im folgenden Monat August – also über zwei Jahre nach dem entsprechenden Angebot – veröffentlichte der Verlag Carl Haslinger den Liederkreis op. 39. Vorausgegangen war ein Jahr zuvor, im Juli 1841, ein Vorabdruck des Liedes Mondnacht (Nr. 5) im Rahmen der musikalischen Beilagen zu Schumanns Neuer Zeitschrift für Musik (NZfM). Einen Monat nach dem Liederkreis, im September 1842, erschienen die Fünf Lieder op. 40 im Kopenhagener Verlag Lose & Olsen in Kooperation mit dem Verlag Friedrich Kistner in Leipzig. Nach zwei Absagen durch die Verlage Breitkopf & Härtel und August Cranz noch im Jahr 1840 hatte Schumann das Opus zunächst beiseitegelegt, im Sommer 1841 dann die Idee umgesetzt, für die Texte nach Andersen neben Chamissos deutscher Übertragung auch das dänische Original zu unterlegen – ein besonderer Fall in der Geschichte des Kunstlieds. Die entsprechende Vorlage hatte er dann Ende November dem Verlag Lose & Olsen zum Druck übermittelt.
 

Zwölf Gedichte von Justinus Kerner. Eine Liederreihe op. 35

(Titelseite der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns, D-Zsch; Archiv-Nr.: 4501,5–D1/A4)

 
Nachdem der Eichendorff-Liederkreis Ende der 1840er Jahre vergriffen war und Haslinger keine Bemühungen um weitere Auflagen erkennen ließ, übernahm der Verlag Friedrich Whistling die Rechte an dem Werk und leitete eine neue Ausgabe in die Wege, für die Schumann das erste Lied (Der frohe Wandersmann) durch eine nochmals revidierte Fassung des bereits ursprünglich als Eingangslied geplanten In der Fremde („Aus der Heimath“) ersetzte, nicht ohne die anderen Lieder ebenfalls zu revidieren und zu korrigieren. Diese Neue Ausgabe erschien spätestens im April 1850, Schumann hatte erste Frei-Exemplare bereits im Dezember 1849 erhalten, ein Grund für die zeitliche Diskrepanz ist nicht bekannt. Aufgrund der Abweichungen auch im Detail werden beide Fassungen des Liederkreises vorgelegt, da sie jeweils deutliche Spuren in der Rezeption hinterlassen haben. Um den Vergleich der Fassungen zu erleichtern, sind sie in diesem Band synoptisch abgedruckt: auf der jeweils linken Seite die Fassung von 1842, auf der rechten Seite die von 1850 zu finden ist. Dabei zeigt sich auch besonders deutlich – und das gilt letztlich für alle hier vorgelegten Opera –, daß etwa Stellung und Umfang der (de-)crescendo-Gabeln kaum wirklich notengenau zu lesen sind (vgl. dazu RSA II/2/3, S. 297): Zwar ist der Verbleib der Stichvorlage für die Fassung von 1842 nicht bekannt, so daß wir diesbezüglich keinen Vergleich haben. Die von Schumann korrekturgelesene Ausgabe zeigt jedoch wie so oft aus heutiger Sicht ungenaue und längst nicht immer konsistente Bezeichnungen.
 

Liederkreis von Joseph Freiherrn von Eichendorff op. 39

Fassung 1842

(Titelseite der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns, D-Zsch; Archiv-Nr.: 4501,6–D1/A4)

 

Liederkreis von Joseph Freiherrn von Eichendorff op. 39

Fassung 1850

(Titelseite der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns, D-Zsch; Archiv-Nr.: 4501,12–D1/A4)

 
Mehrere Einzelausgaben aus den Opera 35, 36 und 39 sowie Aufführungsbelege durch Konzertprogramme und Rezensionen zeugen von der Verbreitung und Beliebtheit zumindest einzelner Lieder. Die größte Verbreitung fand offenbar das Lied An den Sonnenschein op. 36/4 durch gleich mehrere Ausgaben, darunter mindestens eine amerikanische in englischer Übersetzung als Thou sunny beam. An diesem Fall wird ein editorisches Dilemma deutlich: Einerseits sind die weiteren Ausgaben von Schumann nicht einzeln veranlaßt oder gar begutachtet und deshalb nicht individuell autorisiert, sondern – teilweise erst rückwirkend – nur durch pauschale Übertragung der Rechte an den Verlag. Offenbar erhielt der Komponist von diesen Drucken zudem keine Belegexemplare und wurde nicht einmal im einzelnen darüber informiert. Andererseits handelt es sich in der Regel um die Ausgaben mit der weitesten Verbreitung.